Im Radio wird künstlich Weihnachtsstimmung erzeugt, die Werbung suggeriert uns auf Schritt und Tritt, dass wir Geschenke zu kaufen hätten, obwohl kaum jemand noch weiß, was er schenken soll (Kommentar meines 11-jährigen Sohnes: „Ich hab‘ ja alles!“ Dabei halte ich ihn materiell im Peergroup-Vergleich nicht für verwöhnt). Derweil fehlt der Schnee, 2014 wird ein neuer Wärmerekord in Deutschland und wohl auch weltweit, die Klimakonferenz in Lima ging – wie die meisten Konferenzen zuvor – im Grunde ergebnislos zu Ende. Eine Chance bleibe noch, kommentiert die SZ, nämlich Paris 2015. Da sind wir aber gespannt …!

Klimakonferenz 2014 - Karikatur - Schopf
UN-Klimakonferenzen *

Genauso wenig, wie das Thema für unsere Politiker wirklich brennend wäre, interessiert es den Bürger (meistens). Bekannte von uns werden – nach Sommerurlaub in den USA – Weihnachten nun in Südafrika verbringen. Die Kinder werden eifrig für Austausch und Praktika nach Peru, China oder Kanada geschickt, natürlich müssen sich die Eltern das dort dann auch mal ansehen, und die neuen globalen Kontakte wollen danach weiter gepflegt werden – nicht nur durch Skype. Ansonsten sind wir mit dem Alltag bestens beschäftigt. Bis zu 60mal am Tag wird das Smartphone entsperrt, um insgesamt drei Stunden täglich damit zu verbringen. Drohnen lauern am Horizont – als neuer massentauglicher Konsumschlager. Her damit, bitte gerne!

Derweil Google, Facebook und amazon weiter fleißig unsere Daten sammeln, die wir freudig angeben – um dann wieder über den NSA zu schimpfen. Bereitwillig geben viele Menschen schon Gesundheitsdaten an zentrale Server weiter, um ihr Trainingsprogramm zu optimieren (und bald von Versicherungsrabatten zu profitieren). Und auch eine „App für die Seele“ wird bereits getestet, Forschungsgebiete wie „Psycho-Informatik“ entstehen. Daten über Bewegungsprofile, Sozialverhalten und Schlaf geben in Studien Aufschluss über den Zustand depressiver Patienten, dazwischen werden immer wieder Fragen zum emotionalen Befinden aufs Handy geschickt. Toll sei das, weil der Arzt dann auch zwischen den Gesprächen Ausschläge erkennen kann. Wo er doch schon in den Gesprächen kaum Zeit hat!

Ja, das klingt wieder mal sehr pessimistisch. Alles eine Frage von Wahrnehmung oder Verdrängung. Ich ertappe mich dabei, mich aufzuregen über die vielen Autos tagtäglich auf den Straßen, den Lärm, die Werbung, den Konsumterror, Konsumterrorden Druck und die Unsicherheit im Arbeitsleben, wovon viele Patienten berichten, die Baustellen, mit denen weitere Flächen versiegelt werden, die sinkenden Öl- und Benzinpreise, die Kurzsichtigkeit unserer Art. Aber das Klagen hilft nicht weiter, vor allem nicht das Klagen über die bösen Politiker, die nichts Sinnvolles entscheiden. Stimmt zwar, aber wir, jeder Einzelne, sind auch nicht besser (siehe oben). Daher hilft es mir momentan, mich auf das Geschehen vor Ort zu konzentrieren, Gleichgesinnte zu suchen, die auch im Kleinen etwas ändern wollen, und ansonsten mich an Lebkuchen und Orangen, an Gesang und Musik, an Gehen und Radeln zu erfreuen.

In diesem Sinne allen LeserInnen: Frohe Weihnachten!  

* mit freundlicher Genehmigung des Zeichners, Oliver Schopf, oliverschopf.com

Wahrnehmung oder Verdrängung?

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